Die Musik, die wir mögen ist für viele von uns ein wichtiges Merkmal unserer Persönlichkeit, es gibt gewissermaßen einen Soundtrack des Lebens.
Wenn wir uns verändern kommt oft auch musikalisch etwas Neues in unser Leben. Manche KünstlerInnen begleiten uns mit ihrer Musik schon sehr lange, manche verlassen uns irgendwann, manche bleiben und verwandeln sich mit uns.
Das singen spielte in meinem Leben seit ich denken kann eine sehr große Rolle. Als ich Anfang 20 war und meine damalige Plattensammlung betrachtete wurde mir auf einmal klar, daß die Musik, die ich bis dahin gehört hatte fast komplett Musik von Männern war. Männliche Stimmen, männlicher Ausdruck, männliche musikalische Erfahrungswelten.
Ab da machte mich daran, Sängerinnen zu finden, auf der Suche nach Inspiration und Identifikation mit dem möglichen Ausdruck der weiblichen Stimmen. Und das im direkten, sowie im übertragenen Sinne.
Ich erinnere mich genau an den Moment, als die Musik und die Stimme von Sinead O'Connor in mein Leben traten.
Es war eine Offenbarung.
Ich war vollkommen und restlos begeistert von dieser Art des sängerischen Ausdrucks, den ich da zu hören bekam. So etwas hatte ich zuvor noch nie gehört. Ungeschliffen, ungezügelt, beinahe roh in manchen Passagen. Dann wieder zart, verletzlich, intim. Schreie und irgendwie kehlige Laute, dann wieder zarte Phrasierungen. Texte, die von ihrem Leben und ihrem ganz persönlichen SEIN erzählten, ohne die Zuhörerin schonen zu wollen, ohne gefallen zu wollen, aus der Urmaterie herausgeschrien.
Ich entdeckte und erlebte voller Faszination ihre ersten beiden Alben "I do not want what I haven't got" und "Lion and the Cobra" und viele der Songs haben mich auch als Sängerin begleitet, indem ich sie selber sang und aus meiner Seele heraus interpretierte. Dazu gehören "Feel so different", "Black boys on mopeds", "Three babies" und natürlich auch "Nothing compares to you".
Der Moment ihrer Entdeckung ist zudem für mich auch stark und untrennbar mit meiner damaligen Freundin Gabi verbunden. Denn bei ihr zuhause hörte ich Sineads Musik zum ersten Mal.
Jahre später befasste ich mich im Studium mit feministischen Ansätzen zur Kulturphilosophie und mit der großartigen Idee der "symbolischen Mütter" (Der Begriff "Affidamento" bezeichnet die Beziehung zwischen Frauen, die voneinander lernen und sich voneinander inspirieren lassen).
Sinead O'Connor war eine meiner ersten "symbolischen Mütter", vielleicht sogar die erste überhaupt. Ihre Art zu singen, sich auszudrücken, sich zu zeigen in all ihren emotionalen Facetten hat mich nachhaltig geprägt.
Und so trifft es mich sehr, zu erfahren, daß diese wunderbare Frau, Sängerin und Künstlerin 2023 mit gerade einmal 56 Jahren, gestorben ist.
Ich weiß, sie ist "nur" ein Popstar für mich und ihr Werk bleibt uns erhalten. Ihr Ausdruck ist energetisch auch zu einem Teil meiner Selbst und meiner Identifikation als Sängerin geworden. Ich bin dankbar, daß es sie gab, daß sie mutig und kompromisslos war und mir gezeigt hat, was Kreativität und Selbstausdruck sein können.
Ohne sie und ihr Vorbild könnte ich nicht die sein, die ich heute bin.
Ich danke dir, Sinead, du Unvergleichliche :-)